NATURFOTOGRAFIE
Warum Naturfotografie zu meinem Hobby wurde
Es begann noch im Vorschulalter. Wenn unsere Tante mich und meine Schwester fragte, wohin denn der Spaziergang gehen sollte, antworteten wir einstimmig: „Zu den Kaninchen.“ Schon damals machte ich nichts lieber, als den Tieren zusehen, wenn sie im Gras herum hoppelten, am frischen Löwenzahn knabberten. Später nahmen wir die Kaninchen in die Arme, setzten ihnen Widerstand entgegen, wenn sie gleich wieder davon hoppeln wollten.
Als ich zur Schule ging, bekam ich einen Hund: Einen englischen Fox-Terrier, der ziemlich schräg in der Innerschweizer Hundelandschaft stand. Er wuchs mit uns Kindern auf und wir mit ihm. Mit diesem anhänglichen, zottigen Tier, welchem der seiner Rasse eigene Jagdtrieb noch nicht abhanden gekommen war, unternahm ich zahllose Streifzüge über Wiesen, durch Wälder und dem See entlang. Er lehrte mich vieles. Und zeigte mir noch mehr: Wie oft entdeckte ich durch ihn Tiere, die ich sonst kaum wahrgenommen hätte! Manchmal verfolgte er sie bis zu ihren Verstecken, manchmal machte er mich auf sie aufmerksam, weil er sie anbellte, bis auch ich reagierte. Eher selten jagte oder tötete er eines. Solche Hunde sind es gwohnt, ihrem Jäger zu dienen, ohne ihm die Beute streitig zu machen.
Was Jagen heisst, lernte ich dennoch von meinem kleinen Hund. Ich begann, wie er, die Fische, die ich fangen wollte, vorerst genau zu beobachten. Lernte lautlos zu bleiben bis der Augenblick des Zupackens kam. Fischen – vor allem das für Kreatur und Mensch faire Fliegenfischen – ist bis heute eines meiner liebsten Hobbys geblieben.
Später kam die stille Jagd dazu. Die Jagd mit der Kamera. Angefangen habe ich damit 1965. Damals leitete ich ein Pfadi-Lager mit Stadtkindern. Als wir sie aufforderten, in der Natur Tiere zu beobachten, fiel mir auf, dass diese Kinder zwar Löwen und Elefanten, Krokodile und Bären aus dem Fernsehen kannten, dass aber kaum eines je ein Reh, einen Fuchs, einen Hasen oder gar einen Specht in freier Wildbahn zu Gesicht bekommen hatte. Ein für mich unvorstellbares Defizit. Ich wollte zusammen mit den Stadtkindern „unsere“ Tiere suchen und in Bildern gleichsam als Trophäen festhalten. Bei einem Discounter kaufte ich das billigste Teleobjektiv, das damals im Handel war. Dann ging das Abenteuer los. Die Kinder fanden plötzlich sehr viele Tiere, von langsamen Schnecken bis hin zu stachligen Igeln oder garstigen Kröten. Ich blieb bei der Tier- und Naturfotografie. Nur kamen mit der Zeit technisch immer aufwändigere Apparaturen hinzu. Wie das bei dieser besonderen Sparte der Fotografie eben so ist: Eines rief das andere!
Nach und nach lernte ich ein Hobby kennen, das mir neben dem Beruf Journalismus und dem Schreiben von freien Texten auch heute noch das liebste geblieben ist. Ich bin kein besonders geselliger Mensch. Meine Angst, die Eigenständigkeit zu verlieren, führt mich oft in die Enge der Wildbachtäler, in die Abgeschiedenheit der Bergwälder, in die Unzugänglichkeit von Felsbändern oder in die Stille der Moorlandschaften. Ich dringe in die Natur ein – Flüchtling und Eroberer zugleich – mit dem Blickwinkel des Kamerajägers, des Anglers oder Pilzsammlers. In diesen Landschaften, wo die Abhängigkeit des Menschen von der Natur fühlbar wird, glaube ich meine Wurzeln zu spüren.
Und trotzdem sollte man stets die Veränderungen am Wolkenhimmel im Auge behalten… das legte mir der Künstler Franz Bucher 2002 ans Herz, als wir gemeinsam damit begannen, „Veränderungen“ in der Obwaldner Landschaft wahrzunehmen. In Texten und Bildern festzuhalten.
Romano Cuonz
Wir mit unseren Wurzeln im Bergboden
brauchen stets ein Auge
für Veränderungen am Wolkenhimmel.