TEXTPROBE LYRIK
- Quellregion
Ein Tropfen genügt,
um Bergdunkel aufzureissen:
Munterkeit ergiesst sich aus träger Masse.
Ein Ruf antwortet
hier dem anderen,
plitschernd und plätschernd
zwischen Steinen,
leichte Frachten
schaukelnd, gaukelnd.
Hörbares Rinnsal:
Gewachsen aus der Stille der Berge.
Es streckt Fühler aus, tastet mit Strömen
die kleinsten Dinge ab; Fruchtbarkeiten.
Lichtwärts keimend
werden Welten erschaffen.
Später fällt aufs Wasser
Regen –
und wächst.
Steigend, schwellend sucht der Bach
die durchdringbaren Dinge
auf dem Weg vom Ursprung
zum Ursprung.
Aus „Neue Literatur/Anthologie im Frühjahr 2005“ (Cornelia Goethe Literaturverlag Frankfurt A/M 2005).
- Mündungsdelta
Später breitet der Strom
die Arme aus,
ertastend mit lappigen Pranken
das Ziel.
Seine unsichtbaren Tiere;
schon hören sie in
kühlen Leibern das ewige Rauschen.
Doch in der Ferne das Meer
mit den malvenfarbigen Borsten
igelt sich ein.
Bekämpft Fremdes. Woge um Woge.
Sein gewaltiger Körper
vibriert; geballte Kraft,
die jemand entfesselt hat.
Wellen im Ansturm:
Sich brechend
spiegeln sie
ihr flackerndes
Licht
immerfort.
Aus „Neue Literatur/Anthologie im Frühjahr 2005“ (Cornelia Goethe Literaturverlag, Frankfurt A/M 2005).